Kranen und Heimfahrt

Heute kommt das Boot aus dem Wasser, das geht mit dem riesigen Travellift denkbar einfach. Das Ding ist zugelassen für Boote bis 35 Tonnen, bis 18 Meter Länge und 5,10 Meter Breite. Mein Boot mit 5,18m LÄNGE könnte da also fast quer drin gehoben werden und mit unter einer Tonne quasi am kleinen Finger…

Anschließend geht es heim ins Allgäu, mit zwei kurzen Wach-Werden-Pausen fahre ich die elf Stunden durch und bin froh, es am Ende wieder Heim geschafft zu haben.

Autoüberführung

Die Vorhersage bleibt nun stabil, ich hätte zwar noch zwei weiter Tage Zeit zum Zurücksegeln, der Wind wird morgen aber noch weiter aus Westen kommen und mich dann definitiv nicht durch Meiningenstrom und Koppelstrom lassen. So habe ich beschlossen, den Tag damit zu verbringen, mein Auto abzuholen. Wie komme ich dorthin?

Ich hatte in Wustrow gesehen, dass es eine Busverbindung von Ribnitz-Damgarten über Wustrow nach Prerow oder Zingst gibt und vermutete eine Bahn- oder Busverbindung entweder von Barth nach Ribnitz oder von Barth über die Meiningenbrücke nach Prerow/Zingst. In der Touristeninfo traf ich überraschenderweise auf das Kitesurflehrerpäärchen aus Dabitz, die dort ja Hafen, Kiteschule, Campingplatz und Kiosk betreiben und hier offensichtlich auch die Touristeninfo und eine Burgerbar (neu-)aufgebaut haben. Sehr umtriebig die beiden, im guten Sinne. Ich bekomme den Tipp, mit der Fähre rüber nach Zingst zu fahren und mir dort vielleicht ein Rad zu leihen. Schön, so habe ich nochmal einen Blick auf die Gewässer vom ersten Segeltag, da konnte ich nicht die ganze Zeit über Fotos machen… Auch die im Bau befindliche Marina in Zingst kann ich so nochmal besser in Augschein nehmen.

In Zingst finde ich einen Fahrradladen, der sich über eine Art Fahrradladenverbund mit anderen auf Fischland-Darß-Zingst zusammengeschlossen hat und auch Einrichtungsverleihe anbietet. Perfekt, so radel ich nach Wustrow und kann mir unterwegs noch ein paar Ecken anschauen, die ich noch nicht gesehen hatte. Ich wähle den Weg am Bodden, ist der doch etwas windgeschützter und landschaftlich abwechslungsreicher. Nach einer Reihe von Kilometern komme ich nach Born a.d. Darß und schaue natürlich auch in den sehr kleinen aber nette Hafen, den ich ja auf dem Hinweg nur passiert und kaum wahrgenommen hatte. Wirklich nett hier, auch ein kleines Seenotrettungsboot (RIB/Festrumpfschlauchboot). Und derweil ich mir das alles gemütlich anschaue sehe ich einen Fahrplan für einen Dampfer – nach Wustrow. Mit Fahrradmitnahme! Und er kommt in einer Viertelstunde… Perfekt, so kann ich auf den Abschnitt, den ich am schönsten Fand – den Koppelstrom – nochmal einen Blick von Oben werfen, doch so fünf-sechs Meter höher als von meinem Boot aus.

Den netten Herrn vom Segelverein in Wustrow, bei dem ich meinen Hänger unterstellen konnte, habe ich schon kontaktiert – es wird jemand vor Ort sein – und so ist es auch. Dann rasch das Auto geholt, noch ein kurzes Schwätzchen über meinen Törn, was gut lief und was mir gefallen hat, wie der Wind mitgspielt hat… und dann fahre ich auch schon wieder, diesmal im Auto und mit Hänger zurück nach Barth, parke den Wagen im Baugebiet im Hafen und genieße die letzte Nacht an Bord.

Barhöft nach Barth

Nach den schönen Ausflügen nach Stralsund und Hiddensee, die ich ja eigentlich mit dem Boot erreichen wollte, kam nun endlich wieder eine Möglichkeit, mit dem Wind gen Westen zu segeln. Allerdings war aus dem vor drei Tagen noch prognostiziertem Ost-/Nordostwind ein Nordnordwestwind geworden, nicht ganz das, worauf ich gehofft hatte, aber das Beste was die weiteren Tage noch bringen sollten. Da die beiden nach Barth zu befahrenden Fahrwasser beide etwa Nordwest ausgerichtete Stellen aufwiesen war unklar, ob ich es so weit schaffen würde. Ich hatte aber bereits in Barhöft geklärt, dass ich zur Not auch dort kranen könnte, wobei nicht klar wurde, ob mit mehr Erfahrung zu rechnen war als in Wustrow…

Ich starte zeitig da der Wind noch beinahe schläft, komme ein gutes Stück in Richtung Grabow, an Kinnbackenhagen vorbei (erspare mir aber natürlich den Besuch) bis der Wind zum Segeln reicht, die erste „Nordwestpassage“ habe ich unter Motor gut geschafft, nun kann ich diesen ausschalten und segeln. Der Wind nimmt weiter zu und ich muss zunehmend höher an den Wind, als ich von der Grabow in den Barther Bodden wechseln will. Drei Kreuzschläge auf engem Raum mit Motor am Anschlag und ich habe es geschafft, puh. Nun gehts schön auf halben Wind und zuletzt sogar fast vor dem Wind bis nach Barth rein. Ich freue mich, dass noch Liegeplätze an den Fingerstegen frei sind wo ich mich beim Anlegen leichter tue.

Hiddensee – Dornbusch

Heute geht es nach Hiddensee. Ich wollte es sehr gern auf eigenem Kiel erreichen, sehe aber mit meiner Untermotorisierung und der anliegenden Windrichtung (und heute auch Stärke) keine Hoffnung, in den schmalen Fahrwassern gegenzukreuzen. So radele ich einmal mehr zeitig nach Stralsund und fahre mit dem Dampfer rüber. Im Vorjahr war ich ja in Neuendorf ausgestiegen, auf einem anderen Törn lagen wir in Vitte und so steige ich heute in Kloster aus und schaue mir den Dornbusch, also die Erhebung im Norden Hiddensees an.

Stralsund

Da der prognostizierte Nordwestwind mich in den nächsten Tagen nur weiter gen Osten bringen kann (gegenan kreuzen ist bei den größtenteils engen Fahrwassern kaum möglich und mein Elektromotor ist einfach zu schwach um gegenan zu motoren), mache ich nun erst einmal einen Landausflug nach Stralsund. Im Cafékiosk leihe ich mir ein Rad und bin mobil. So kann ich einen ausgieben Stadtrundgang machen, über den Rügendamm radeln, ins Ozeaneum gehen, Fischbrötchen vor Möwen verteidigen im Hafen dem Treiben zu schauen usw.

Dabitz nach Barhöft

Heute geht es wieder weiter, wir sollen einen Dreier Wind aus Nordwest bekommen, der wird mich schön nach Barhöft schieben. Tags drauf solls recht kräftig werden, drum plane ich da erstmal einen Tag Pause ein. Es wird tatsächlich ein allerfeinster Segeltag, zunächst auf Halbwind über die Grabow, lediglich die eine Untiefe der Grabow gilt es zu umfahren, danach geht es schon in das enge, bestens markierte Fahrwasser (Achtung, wird es direkt neben dem Fahrwasser so schmal, dass dort die Möwen im Wasser stehen können!). Langsam nimmt der Wind etwas zu, so dass ich am Ende nur noch mit gerefftem Groß vor dem Wind herfahre. Ich lasse den Bock links liegen und gelange an die Kreuzung vor Barhöft, wo ich raus auf die Ostsee, weiter Richtung Stralsund und Hiddensee oder eben in den Lotsenhafen nach Barhöft hinein fahren kann. Ich segele bis in den Hafen, der Wind lässt es eben noch zu. Der freundliche Nachbar aus Dabitz ist an dem Tag auch hierhergefahren und steht schon wieder hilfsbereit auf dem Steg um gleich bei der Anlege mit den Leinen zu helfen. Auch ich helfe noch manchen, die nach mir kommen – sofern sie denn überhaupt Hilfe haben wollen.

Hier in Barhöft lerne ich, dass mein kleines, altes Boot gleich eine fantastische soziale Sortierhilfe ist: Manche Leute kommen schauen, freuen sich, erzählen davon, dass sie früher selbst eins hatten oder schon immer mal eine Leisure 17 sehen wollten und andere (sogar direkt am selben Fingersteg liegend) gehen grußlos und einen keines Blickes würdigend an einem vorbei. Allein dafür könnte ich mein Boot schon lieben, es macht im Hafen gleich alles viel einfacher…

Am Abend gibt es noch ein leckeres Fischbrötchen mit bester, hauseigener Marinade aus dem kleinen Cafékiosk am Hafen. Sonst bietet der Hafen nicht viel – nebenan steht ein Hotel mit Pizzeria, der Cafékiosk verleiht auch Fahrräder und natürlich gibt es noch die Hafenmeisterei mit Sanitäranlagen. Das war’s dann auch schon.

Tagesausflug nach Barth

Schon am Vorabend in der Dusche merke ich heute erst richtig wie landkrank ich schon nach einem ersten Segeltag bin – drum gleich mal für zwei Nächte den Liegeplatz bezahlt. Sicherlich, ich kenne das schon von meinem Einwochentörn für den SKS in Kroation vor drei Jahren und ich habe auch gehört, dass das auf kleinen Booten intensiver ist und schneller eintritt, ich bin jedoch kräftig überracscht. Und mit dem Schwindelgefühl kommt natürlich auch die Müdigkeit, denn das strengt an. So bleibe ich den Vormittag ganz gemütlich nur am Hafen von Dabitz (die Umgebung besteht aus Natur, einem Sanitär- Kioskgebäude , einem Verschlag für Kiteausrüstung und einem Campingplatz für sechs bis acht kleine Camper, dem Hafen und auf dem Hafenvereinsgelände noch einer handvoll Bungalows für Urlauber. Ich esse von der kleinen aber brauchbaren Karte gleich zwei Gerichte herunter und quatsche noch ein wenig mit dem netten hilfsbereiten Nachbarn vom Segelboot. Zzum Nachmittag leihe mir dann von den Kite- und Hafencrew ein Fahrrad um nach Barth zu fahren. Da eh kein Wind geht, verpasse ich auf dem Wasser auch nichts und kann meine Batterie wieder bis zum Rand vollmachen.

Barth hat eine interessante, bewegte Geschichte, die ich hier natürlich nicht komplett wiedergeben kann. Phasen des Wohlstands wechselten sich mehrfach mit armen Verhältnissen ab, im dreißigjährigen Krieg fast komplett zerstört und von den Schweden lange Zeit besetzt kamen die Stadt später zu großem Wohlstand durch den Schiffsbau. Barth wurde zu einer (die?) wichtigste deutsche Stadt an der Ostsee bis das Jahrtausendochwasser von 1872 die Durchfahrten zwischen den bisherigen Inseln Fischland, Darß und Zingst versiegelte und Barth hinter im flacher werdenden Bodden und aufgrund den immer größer werdenden und tiefergehenderen Schiffen wieder bedeutungslos wurde. Den ehemaligen Wohlstand der zeit kann man heute aber noch in vielen Teilen der Stadt erkennen. Wichtigstes Wahrzeichen war für die Schiffahrt und ist heute aus touristischen Gründen die St.-Marien-Kirche, die für alle Seefahrer schon aus größter Distanz zur Orientierung hergenommen werden kann.

Abends bin ich wieder zurück im Hafen an meinem Boot und genieße den Sonnenuntergang.

Wustrow bis Dabitz

Endlich geht es los. Der starke Ostwind vom Vortag hat in der Nacht nachgelassen und auf Nordwest gedreht, soll im Laufe des Tages auf West drehen und etwas zunehmen und aber nicht über drei bis vier Windstärken gehen. Für mich soll es Richtung Osten gehen, die Windrichtung stimmt also. Ich möchte gern bis hinter die Meiningenbrücke kommen, die frühen Öffnungszeiten (07:45 und 09:45) sind zu früh für mich, da hätte ich wegen des fehlenden Windes Mitten in der Nacht die ganze Strecke unter Motor fahren müssen, ich will aber segeln. So will ich 17:45 dort sein und dann mal schauen, ob ich in Zingst einen Liegeplatz finde oder ob ich noch bis Barth komme. Dabitz wird wohl zu weit sein, mein Nachbar hatte sich das ja auch nicht angetan.

Über den Barther Bodden segele ich fein dahin, zunächst ist der Wind auch noch recht schwach, nimmt dann aber so ganz langsam zu. Ich kann mich fein in die Kartennavigation hineinfinden… ach nein, eigentlich ist es ein nach-Sicht-Fahren, denn ich suche mir aus der Karte nur die nächsten Ansteuerungspunkte bzw. Tonnen heraus und halte geob drauf zu. Größtenteils reicht die Tiefe aus, vor allem bei wenig Seegang. Erst zum Koppelstrom muss ich mich genauer an die Fahrrinne halten, da es dort außerhalb auch für mich großteils zu flach wird. Mir kommt gleich zu Beginn der Fahrrinne ein Touristendampfer entgegen, wir passen kaum nebeneinander ins Fahrwasser, bekommen es aber hin. Der Wind will ist noch recht schwach, die Sonne scheint schön und plötzlich ist dieses hässliche Gefühl da, ein sanftes Bremsen, der Bug dreht zur Seite und das Ruder kann das nicht korrigieren – ich bin auf Grund gelaufen, keine zwei Meter neben der hier nur einseitig gekennzeichneten Fahrwasserrinne, aber auf der richtigen Seite… (wie ich später erfahre, fährt der Dampfer hier sogar auf der anderen Seite der Tonnen, weil diese eigentlich nicht (mehr) richtig liegen).

Verdammt, was tun? Zuerst ganz fix die Segel bergen, dann überlegen, herunterzukommen. Der Motor ist wirklich zu schwach, damit bewege ich nichts. Dann der Bootshaken – aber der droht zu brechen, auch keine Bewegung. Stattdessen kommt langsam Wind auf. Mir gehen schon Bilder von zuhilfe eilenden DGzRS-Booten durch den Kopf da fällt mir wieder mein Tiefgang ein – 65cm – da muss ich ja stehen können! Also raus aus den Klamotten, Badehose an, Leine ans Boot und in die Hand, Badeleiter rausgehängt und raus ins frische Wasser. Kaum bin ich raus, schwimmt das Boot wieder auf und ich kann es leicht die mittlerweile vier Meter zurück ins Fahrwasser schieben. Schnell wieder reingesprungen und nun aber haargenau auf das sehr enge Fahrwasser achten. Segel wieder rauf, der Wind schiebt ja nun gut, die Kurve und danach wird es noch enger, da sind dann rechts und links Schilf, hier darf noch weniger passieren. Leider gibt es Stellen, wo der Wind nun fast von vorn kommt, der Motor schiebt kräftig mit udn so komme ich auch dort durch. Eine halbe Stunde später wird es wieder etwas breiter tief, so dass ich kurz für Sekunden die Pinne loslassen kann um meine Klamotten wieder hoch an Deck holen zu können. Mit dem weiter aufgefrischtem Wind ist mir doch ganz gut kalt geworden.

Ich komme an Born vorbei, folge dem Nadelstrom und gelange in den Bodstedter Bodden. Hier hätte ich wohl eine Pause einlegen sollen, aber der Wind hat gut zugelegt, es liegt wohl eher 4-5 Windstärken an als die 3-4 vorhergesagten. Ich traue mich nicht einzuschätzen, wielange ich nach Bodstedt und von dort zur Brücke brauche, will die Öffnung aber nicht verpasse und entscheide mich nun, bis zur Brücke zu fahren und an einem der vier Dalben auf Warteposition zu gehen. Vom weiten erkenne ich schon das Baggerschiff, dass an der Mündung des Prerower Stroms in das Fahrwasser des Bodstedter Boddens kur vor der Brücke seine Arbeit verrichtet. Mein Hafennachbar warnte mich, dass es rund um das Schiff recht flach ist, ich hoffe, dass ich das diesmal besser erkenne und fahre recht dicht am Arbeitsschiff vorbei. Glück gehabt, ich komme durch. Nun wird es spannend, denn der Wind drückt ganz ordentlich genau in die Zufahrt zur Brücke. Die ist zu schmal, um im Notfall daraus wieder segelnd gegen den Wind herauskreuzen zu können, ich muss also auf jeden Fall einen der Dalben erwischen – mein Motor, das weiß ich ja nun leider, würde mich hier nicht davor retten können, gegen die Brücke zu treiben. Am ersten Dalben klappt es nicht, der Strom zieht mich im letzten Augenblick etwas weg, den zweiten gehe ich mit voller Breitseite an und ich bekomme eine Leine um den Festmacher gelegt – geschafft!

Und ich bin auch geschaft, wie ich dann nach einigen Minuten arbeitens mit den Leinen und dem Ausbringen einer zweiten Leine schnell merke. Die Sonne ist längst weg, es kommt Nieselregen auf und es wird kalt – und ich muss noch drei Stunden warten, bis die Brücke öffnet. Also schnell unter Deck, schnell ein Riegel gegessen, den Wecker gestellt, in den Schlafsack und etwas geschlafen. Das ganze Schaukeln und Prasseln der Regentropen draußen bekomme ich nur ganz entfernt mit.

Rechtzeitig zur bevorstehenden Öffnung bin ich wieder wach und in Vollmontur an Deck. Die eine Leine gelöst, die andere auf Slip in der Hand lasse ich noch den Dampfer vor, der genau in die öffnende Brücke hineinfährt, perfekt getimed. Ich versuche mich gleich anzuschließen, bin aber mit meinem Motörchen so langsam, dass ich Angst habe, dass der Brückenwächter sie mir noch vor der Nase wieder schließt. Aber ich komme durch.

Nun bin ich auf dem Zingster Strom, der kalte Wind ist weg (Landabdeckung, aber das kapiere ich erst später) und ich fahre mit Motorunterstützung sehr langsam und gemütlich Richtung Zingst. Dort wird gerade, wie der Nachbar berichtet hatte, die städtische Marina neu gebaut, ob die Boxen am Ortsanfang auch für mich frei gewesen wären, weiß ich nicht, das sah mir leider nicht hinreichend willkommen heißend aus. So bin ich bald durch Zingst und den Zingster Strom hindurch und freunde mich mit dem Gedanken an, doch bis Barth durchzufahren. Nochmal auf die Zeit geschaut, erst halb zehn ist Sonnenuntergang, da habe ich ja noch Zeit, sehr gut.

Ein Stück vom Zingster Strom raus auf den Barther Bodden ist wieder schöner Wind zu spüren. Soll ich nicht doch einfach weiter nach Dabitz fahren? Da war ich ja im Vorjahr zum Kitesurfkurs, da kenne ich den Hafen, weiß was mich erwartet und ich bin noch ein gutes Stück weiter Richtung Rügen… Der Wind schiebt gut von achtern, so ändere ich den Plan entsprechend. Ich fliege schön im Schmetterling unter Vollzeug dahin, ein großer Spaß das Segeln für eine gute Weile. Auf der Grabow muss ich dann auf halben Wind gehen, um gen Süden Richtung Dabitz zu kommen. Jetzt erst merke ich, wie stark der Wind wirklich ist: Ich habe das vor dem Wind fahren völlig unterschätzt, nun habe ich Mühe, ins Groß das zweite Reff reinzubekommen. Das Vorsegel berge ich ganz, Groß fahre ich weit offen, an der Grenze zum Flattern. Ich versuche, mich einigermaßen dicht unter dem schützenden Land zu halten, weiß aber noch vom Vorjahr, dass dort ein großes Stehrevier ist, ich die Nähe zum Land also nicht übertreiben darf – denn jetzt darf ich mir kurz vor Ende des Tages und meiner Kräfte auf keinen Fall nochmal einen Badegang einbrocken.

Die Einfahrt zum Hafen liegt dann genau gegen den Wind, ich komme trotz Motorunterstützng fast nicht hinein, kreuze mehrfach, der Motor gibt alles und dann bin ich mit dem letzten Tegeslichtrest im Hafen. Ein Motorbootfahrer (und eigentlich auch Segler, wie sich später im Gespräch herausstellt) hat meinen Kampf mit Spannung mitverfolgt und hilft mir beim Anlegen. Nachdem das Boot dann irgendwann schön liegt gehe ich hoch und dusche ausgiebig und heiß und falle dann auch schnell ins Bett und in tiefen Schlaf – was für ein langer, schöner und aufregender erster Segeltag einhand im eigenen Boot hier oben. Puh!

Hier die gesegelte Route:

Das Boot kommt ins Wasser

Der Tag wird spannend, um 13:00 Uhr ist Krantermin. Unbekannte Hafenmeisterin, unbekannter Hafen neue Anlegeart „Box“. Ich schaue nach dem Frühstück kurz im Hafen vorbei und sage der Hafenmeisterin kurz hallo und spreche ab, von wo und wie ich später an den Kran komme. Direkt vor mir will wohl noch jemand seinen Mast stellen. Die Hafenmeisterin hat nach eigenem Bekunden erst drei oder vier Wochen vorher Ihren Kranschein gemacht, soll aber jemanden dabei haben, der da mehr Erfahrung hat.

Ich nutze den Vormittag, um in Ribnitz noch zu tanken, aus dem dortigen Baumarkt noch ein paar Kleinteile fürs Boot zu besorgen und im Hafen ein leckeres frisches Fischbrötchen zu essen.

Mit Boot am Hafen angekommen hat dort plötzlich ein Mann das sagen, angeblich mit viel Erfahrung, zumindest redet er die ganze Zeit so, dass vermutlich vor 100 Jahren die Frauen noch beeindruckt gewesen wären. Ich werde aber unruhig, vertrauenerweckend ist dieses großmäulige Gerede nicht – Letztlich hebt er im Hauruck-Verfahren das Boot vom Hänger und hat den Kran dabei so schlecht positioniert, dass es beinahe zum Crash mit meinem noch angekoppelten Auto kommt, so sehr pendelt das Boot nach vorn. Auch das Maststellen läuft ähnlich brutal, ich werde erst ruhiger, als der Kran wieder weg vom Boot ist.

Immerhin stellt sich der Vorgänger am Mast im Gespräch als Mitglied (später sogar als Vorstand) vom Segelverein gegenüber heraus und bietet mir eine bezahlbare Parkmöglichkeit für meinen Hänger für die ganze Zeit an. Juchhu, damit wäre auch das endlich geklärt. Die Hafenmeisterin, die bisher nur unsicher den seltsamen Erklärtiraden des Kranbedieners zuhörte, bietet nun noch „gern“ Hilfe an beim Anlegen gegenüber, ist dann aber eine halbe Stunde später doch weg. Sie wies mir noch genau die Box zu, die ich gegenüber vom Kran belegen soll, als ich dann dort allein versuche anzulegen (unter Strom, da das erste mal), bekomme ich das Boot dort partout nicht ordentlich hinein. Es stellt sich heraus, dass ich eigentlich schon tief im Schlick stecke, mit 65cm Tiefgang! Solche Angaben wiederum sollten den Hafenmeistern eigentlich geläufig sein – aber nun gut, sie ist ja neu im Job… Aber am Schlimmsten ist, dass ich das Boot unter Motor auch nicht wieder herausbekomme. Zum Glück sind die Achterleinen noch auf den Dalben, so kann ich mich mit Kraft herausziehen. Es zeigt sich, dass der Elektromotor, den ich mir noch kurz vorher zugelegt hatte (wegen der Unzuverlässigkeit meines Benzinaußenborders beim Anspringen), trotz Beratung viel zu schwach dimensioniert ist. So ein Mist!

Ein netter Bootsnachbar hilft beim Anlegen in der übernächsten Box und lädt noch auf einen Anleger ein. So trinke ich ein Höflichkeits- bzw. Dankbarkeitsbier und erhalte nebenbei noch ein paar wertvolle Tipps – denn er ist die von mir für morgen geplante Strecke gerade erst in der Gegenrichtung gefahren – wegen der Öffnungszeiten der Meiningenbrücke (zweimal früh morgens und zweimal abends) jedoch auf zwei Tage verteilt. Außerdem erklärt er, dass der Hafen bisher nur wenig betreut war und dann vom Leuten vom Bauhof, die dann auch den Kran bedienten – leider nur eine Handvoll mal im Jahr, da kann ja auch keine Übung aufkommen…

Auf Darß und Zingst unterwegs

Der Tag begann damit, dass ich den Bootsanhänger mit dem Dicken B drauf soweit an den Rand des Parkplatzes stellte, dass ich mir recht sicher war, ihn dort aus dem halbwegs festen Sanduntergrund auch wieder nach oben gezogen bekomme. Nachdem ich am Vortag nach der Ankunft ja bereits den Ort, den Hafen und den vorgelagerten Streifen Ostseeküste ein wenig erkundet hatte, machte ich mich dann nach dem Frühstück auf, die weitere Umgebung zu erkunden.

Zunächst ging es durch Ahrenshoop, an Born vorbei und durch Wiek, Prerow zunächst noch liegenlassend zur Meiningenbrücke, einer Brücke, die die einzig fahrbare Engstelle zwischen Bodstedter und Barther Bodden überbrückt. Die alte Drehbrücke ist scheinbar noch einigermaßen funktionsfähig, aber nicht mehr in Betrieb, vermutlich wird sie nicht nochmal instandgesetzt. Sie steht für die Schifffahrt offen, die Zufahrtsstraße ist aber für Autos von beiden Seiten gesperrt. Als mittlerweile langjähriges Provisorium wurde eine kleine Klappbrücke daneben gesetzt mit einfacher Zufahrtstraße versehen und diese Brücke öffnet nun viermal täglich für die Schifffahrt. Da ich hier vorbeikommen werde, will ich mir die Brücke und vor allem die Liegemöglichkeiten davor und danach mal vom Land aus anschauen. Von der Brücke zurück mache ich einen Schlenker durch Zingst und spaziere zur Ostseebrücke vor. Ein sehr beliebter Ort mit vielen Besuchern…

Danach will ich nach Darßer Ort, wo es einen weit abgelegen liegenden kleinen ehemaligen Militärhafen der NVA gab, der sich nach der Wende zu einem kleinen Nothafen für Ostseesegler zwischen Rostock und Rügen öffnete. Da die gesamte Umgebung nach der Wende schnell in Naturschutzgebiete umgewandelt wurde (bot sich ja in vielen Bereich an, da (zivile) Menschen dort größtenteils nicht gern gesehen waren), hatte der Hafen ohne wirkliche Gebäude keine Chance zu wachsen. Dagegen war die Lage am Ende der Landzunge vom Darß, umgeben von Strömungsbewegungen der Ostsee „gut“ geeignet, den Hafen und die Zufahrt schnell zu versanden. So lag dort häufig ein Baggerschiff, um die Zufahrt freizuhalten. Außerdem ist es der Stützpunkt des Seenotkreutzers „Nis Randers“ mit seinem Tochterboot „Uwe“. Darßer Ort hatte ich schon auf meinem ersten Segeltörn viele Jahre zuvor besucht, konnte mir hier aber leider nur wenige Bilder wieder vor Augen rufen. Darßer Ort soll Ende der diesjährigen Saison als Nothafen geschlossen werden, stattdessen wird seit geraumer Zeit daran gearbeitet, einen künstlichen Nothafen vor dem Strand von Prerow zu erschaffen. Der soll hoffentlich zum kommenden Frühjahr wenigstens teilweise nutzbar sein, sodass die „Nis Randers“ wieder einen gut-gelegenen Liegeplatz hat und auch alle kleineren Segler, die keine so großen Etmale fahren können, hier einen Zwischenstopp einlegen können.

Ich fahre also nach Prerow, leihe mir ein Fahrrad und radel nach Darßer Ort. Unterwegs schaue ich mir den aktuellen Baufortschritt am neuen Nothafen an, da ist wohl noch einiges zu tun. Am Hafen Darßer Ort ist eigentlich nur Natur zu bewundern, wie die Ostsee auf die Küste läuft, das Schilf und die Vögel rund um den Hafen, auch ein Baggerschiff, das schon mit dem Zurückbauen des Hafens beschäftigt scheint und die Nis Randers mit Tochterboot, wenige Segler und auch nicht viele Touristen, da es doch ein Stückchen zu radeln ist und die Hauptsaison ja noch erst kommt. Auch den Schlenker rüber zum alten, denkmalgeschützten Leuchtturm von 1849 mache ich noch, dort ist aber mehr los, sodass ich nicht lange bleibe.

Nach Abgabe des Rades fahre ich noch das kurze Stück zur Boddenseite Prerows besuche die alte Seemannskirche (von 1728 mit alten Segelschiffmodellen gesunkener Boote und alten Grabsteinen vor der Tür) und laufe in den Hafen. Ich sehe, in fünf Minuten fährt ein Dampfer den Prerower Strom hinunter bis zum Bodstädter Bodden, sicher ganz nett und ein guter erster Eindruck vom Bodden für mich, den ich mir ja bald ersegeln möchte. Schnell das Auto abgestellt, Ticket gezogen und rauf aufs Schiff und schon geht es los. Der Prerower Strom war früher ein Durchgang vom Bodden in die Ostsee, erst infolge des katastrophalen Jahrtausendhochwasser von 1872 wird der Zugang zerstört und kurz darauf zugeschüttet. Die Straße trennt den Strom vom toten Arm, der in Form eines langgezogenen Sees noch existiert. Wir fahren aber auf dem jedes Jahr ein klein wenig flacher werdenden Strom Richtung Bodden, vom Oberdeck habe ich einen wunderbaren Ausblick über das Feuchtgebiet, das im Frühjahr zum Rast- und Brutgebiet für tausende Zugvögel wird.

Zurück in Wustrow finde ich eine kostenlose Abstellmöglichkeit für meinen Wagen im Ort, übernachte aber zunächst beim Boot. Wohin der Hänger kommen soll, ist leider weiter unklar.

Am Abend mache ich noch einen Spaziergang ins Dunkle, raus aus dem Ort entlang der Boddenküste. Einmal schauen, wie die Befeuerung des Gewässers hier in natura aussieht, falls ich am Ende meines Törns spät in der Nacht zurückkommen sollte. Es ist Neumond und so ist der Weg schon am Ortsrand kaum noch zu erkennen. Auf dem Rückweg sehe ich linker Hand hinter dem kaum kniehohen Hochwassermäuerchen eine Bewegung, sitzt da etwa ein Mensch in seinem Garten? Ein unwilliges Schnaufen und eine zweite Bewegung nehme ich noch wahr, bis ich erkenne, dass sich die Wildschweinmutter mit einem oder mehreren Jungtieren (die Jäger sagen Bache und Frischlinge) davon trotten, nochmals deutlich unzufrieden grunzend. Ich habe mich gut erschreckt und bin froh, dass das gut ausging.

Auf an die Ostsee – Wustrow

Los geht es am Himmelfahrtsfreitag, gemütlich gegen 15:00 Uhr. Die Hoffnung: Eine leere Autobahn, da alle Wochenendausflügler schon gereist sind und der frühe, hektische Freitagsfeierabendverkehr auch schon durch ist. Der Plan geht recht gut auf.

Diesmal soll es mit dem eigenen Boot an die Ostsee gehen. Genauer gesagt an die Bodden, also die halb eingeschlossenen, halb offenen Gewässer zwischen dem Festland und den (früheren) Inseln Fischland, Darß und Zingst, vielleicht auch die Bodden Rügens. Der Hauptgedanke dahinter: Für meinen ersten Einhandtörn mit dem eigenen Boot wünsche ich mir ein „einfaches“ Revier. Ungeübte neue Anlegemanöver in Boxen, vermutlich dauerhaft mehr Wind als daheim, neue Gewässer und Uferlinien, Karte lesen und damit planen, auf Sicht und mit Kompass navigieren und noch einiges mehr werden mich wohl erstmal genug fordern, so dass doch bitte erstmal einiges etwas leichter ausfallen kann. Nun, soweit zumindest die Idee.

Als Startort – da mit Kran ausgestattet und es zudem auch ein kleiner gemütlicher Hafen zu sein scheint – wähle ich Wustrow. Mit der Hafenmeisterin – ganz neu in Amt und Würden und mit drei Wochen altem Kranschein – habe ich einen Termin am Montag mittag, so habe ich für die lange Anfahrt von knapp 1000km drei Tage Zeit und hoffe, es in zweien zu schaffen, mal schauen, wie das mit einem auf 80km/h beschränkten Hänger so läuft.

Etwa die Hälfte schaffe ich, bis mir die Augen mit Gewalt zufallen wollen. Ein Autohof bei Hermsdorf lässt mich mit Hänger zwischen den ganzen Lastern kostenlos übernachten, wenn ich in der Früh dafür noch tanke und frühstücke. Am Samstag schaffe ich den Rest der Strecke und bin – mit dem Boot aufm Hänger noch einen Zwischenstopp am Supermarkt kurz vorm Ziel, quer über viele Parkplätze stehend mache ich vermutlich nicht die allerbeste Werbung für Segler – am frühen Nachmittag in Wustrow. Da ich über mehrere Tage niemand im Ordnungsamt Wustrow erreichen konnte zwecks Erfragens einer Parkmöglichkeit für Auto und Anhänger stelle ich mich auf einen großen sandigen Parkplatz am Hafen.

Den Nachmittag nutze ich zur Ortserkundung, zu Fuß einmal vom Hafen am Saaler Bodden zur Seebrücke an der Ostseeküste. Ein schöner und alter Ort, vieles neu und schick gemacht, Touristen-gefällig, mancher Vorgarten mit Details zum Fotografieren arrangiert. Viele kleine, liebevoll erhaltene Kapitänshäuser, das schicke ehemalige kaiserliche Postamt, die ehemalige Großherzogliche Mecklenburgische Navigationsschule, viele reetgedeckte Gebäude, langweilige moderne Hotelbauten unweit der Pier. An der Küste entlang Richtung Ahrenshoop, zunächst am Strand, dann oberhalb der Steilküste.

Übersicht Ostseetörn 2023

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