Endlich geht es los. Der starke Ostwind vom Vortag hat in der Nacht nachgelassen und auf Nordwest gedreht, soll im Laufe des Tages auf West drehen und etwas zunehmen und aber nicht über drei bis vier Windstärken gehen. Für mich soll es Richtung Osten gehen, die Windrichtung stimmt also. Ich möchte gern bis hinter die Meiningenbrücke kommen, die frühen Öffnungszeiten (07:45 und 09:45) sind zu früh für mich, da hätte ich wegen des fehlenden Windes Mitten in der Nacht die ganze Strecke unter Motor fahren müssen, ich will aber segeln. So will ich 17:45 dort sein und dann mal schauen, ob ich in Zingst einen Liegeplatz finde oder ob ich noch bis Barth komme. Dabitz wird wohl zu weit sein, mein Nachbar hatte sich das ja auch nicht angetan.
Über den Barther Bodden segele ich fein dahin, zunächst ist der Wind auch noch recht schwach, nimmt dann aber so ganz langsam zu. Ich kann mich fein in die Kartennavigation hineinfinden… ach nein, eigentlich ist es ein nach-Sicht-Fahren, denn ich suche mir aus der Karte nur die nächsten Ansteuerungspunkte bzw. Tonnen heraus und halte geob drauf zu. Größtenteils reicht die Tiefe aus, vor allem bei wenig Seegang. Erst zum Koppelstrom muss ich mich genauer an die Fahrrinne halten, da es dort außerhalb auch für mich großteils zu flach wird. Mir kommt gleich zu Beginn der Fahrrinne ein Touristendampfer entgegen, wir passen kaum nebeneinander ins Fahrwasser, bekommen es aber hin. Der Wind will ist noch recht schwach, die Sonne scheint schön und plötzlich ist dieses hässliche Gefühl da, ein sanftes Bremsen, der Bug dreht zur Seite und das Ruder kann das nicht korrigieren – ich bin auf Grund gelaufen, keine zwei Meter neben der hier nur einseitig gekennzeichneten Fahrwasserrinne, aber auf der richtigen Seite… (wie ich später erfahre, fährt der Dampfer hier sogar auf der anderen Seite der Tonnen, weil diese eigentlich nicht (mehr) richtig liegen).

im Schmetterling unter Vollzeug bei wenig Wind auf den Koppelstrom zu
Verdammt, was tun? Zuerst ganz fix die Segel bergen, dann überlegen, herunterzukommen. Der Motor ist wirklich zu schwach, damit bewege ich nichts. Dann der Bootshaken – aber der droht zu brechen, auch keine Bewegung. Stattdessen kommt langsam Wind auf. Mir gehen schon Bilder von zuhilfe eilenden DGzRS-Booten durch den Kopf da fällt mir wieder mein Tiefgang ein – 65cm – da muss ich ja stehen können! Also raus aus den Klamotten, Badehose an, Leine ans Boot und in die Hand, Badeleiter rausgehängt und raus ins frische Wasser. Kaum bin ich raus, schwimmt das Boot wieder auf und ich kann es leicht die mittlerweile vier Meter zurück ins Fahrwasser schieben. Schnell wieder reingesprungen und nun aber haargenau auf das sehr enge Fahrwasser achten. Segel wieder rauf, der Wind schiebt ja nun gut, die Kurve und danach wird es noch enger, da sind dann rechts und links Schilf, hier darf noch weniger passieren. Leider gibt es Stellen, wo der Wind nun fast von vorn kommt, der Motor schiebt kräftig mit udn so komme ich auch dort durch. Eine halbe Stunde später wird es wieder etwas breiter tief, so dass ich kurz für Sekunden die Pinne loslassen kann um meine Klamotten wieder hoch an Deck holen zu können. Mit dem weiter aufgefrischtem Wind ist mir doch ganz gut kalt geworden.

im Koppelstrom genau auf die Betonnung achten

der Koppelstrom ist geschafft
Ich komme an Born vorbei, folge dem Nadelstrom und gelange in den Bodstedter Bodden. Hier hätte ich wohl eine Pause einlegen sollen, aber der Wind hat gut zugelegt, es liegt wohl eher 4-5 Windstärken an als die 3-4 vorhergesagten. Ich traue mich nicht einzuschätzen, wielange ich nach Bodstedt und von dort zur Brücke brauche, will die Öffnung aber nicht verpasse und entscheide mich nun, bis zur Brücke zu fahren und an einem der vier Dalben auf Warteposition zu gehen. Vom weiten erkenne ich schon das Baggerschiff, dass an der Mündung des Prerower Stroms in das Fahrwasser des Bodstedter Boddens kur vor der Brücke seine Arbeit verrichtet. Mein Hafennachbar warnte mich, dass es rund um das Schiff recht flach ist, ich hoffe, dass ich das diesmal besser erkenne und fahre recht dicht am Arbeitsschiff vorbei. Glück gehabt, ich komme durch. Nun wird es spannend, denn der Wind drückt ganz ordentlich genau in die Zufahrt zur Brücke. Die ist zu schmal, um im Notfall daraus wieder segelnd gegen den Wind herauskreuzen zu können, ich muss also auf jeden Fall einen der Dalben erwischen – mein Motor, das weiß ich ja nun leider, würde mich hier nicht davor retten können, gegen die Brücke zu treiben. Am ersten Dalben klappt es nicht, der Strom zieht mich im letzten Augenblick etwas weg, den zweiten gehe ich mit voller Breitseite an und ich bekomme eine Leine um den Festmacher gelegt – geschafft!
Und ich bin auch geschaft, wie ich dann nach einigen Minuten arbeitens mit den Leinen und dem Ausbringen einer zweiten Leine schnell merke. Die Sonne ist längst weg, es kommt Nieselregen auf und es wird kalt – und ich muss noch drei Stunden warten, bis die Brücke öffnet. Also schnell unter Deck, schnell ein Riegel gegessen, den Wecker gestellt, in den Schlafsack und etwas geschlafen. Das ganze Schaukeln und Prasseln der Regentropen draußen bekomme ich nur ganz entfernt mit.
Rechtzeitig zur bevorstehenden Öffnung bin ich wieder wach und in Vollmontur an Deck. Die eine Leine gelöst, die andere auf Slip in der Hand lasse ich noch den Dampfer vor, der genau in die öffnende Brücke hineinfährt, perfekt getimed. Ich versuche mich gleich anzuschließen, bin aber mit meinem Motörchen so langsam, dass ich Angst habe, dass der Brückenwächter sie mir noch vor der Nase wieder schließt. Aber ich komme durch.

durch die Meiningenbrücke

durch die Meiningenbrücke, Blick zurück

Blick über den Großen Kirr
Nun bin ich auf dem Zingster Strom, der kalte Wind ist weg (Landabdeckung, aber das kapiere ich erst später) und ich fahre mit Motorunterstützung sehr langsam und gemütlich Richtung Zingst. Dort wird gerade, wie der Nachbar berichtet hatte, die städtische Marina neu gebaut, ob die Boxen am Ortsanfang auch für mich frei gewesen wären, weiß ich nicht, das sah mir leider nicht hinreichend willkommen heißend aus. So bin ich bald durch Zingst und den Zingster Strom hindurch und freunde mich mit dem Gedanken an, doch bis Barth durchzufahren. Nochmal auf die Zeit geschaut, erst halb zehn ist Sonnenuntergang, da habe ich ja noch Zeit, sehr gut.

Zingster Strom

auf dem Barther Bodden, im Hintergrund schon die Grabow
Ein Stück vom Zingster Strom raus auf den Barther Bodden ist wieder schöner Wind zu spüren. Soll ich nicht doch einfach weiter nach Dabitz fahren? Da war ich ja im Vorjahr zum Kitesurfkurs, da kenne ich den Hafen, weiß was mich erwartet und ich bin noch ein gutes Stück weiter Richtung Rügen… Der Wind schiebt gut von achtern, so ändere ich den Plan entsprechend. Ich fliege schön im Schmetterling unter Vollzeug dahin, ein großer Spaß das Segeln für eine gute Weile. Auf der Grabow muss ich dann auf halben Wind gehen, um gen Süden Richtung Dabitz zu kommen. Jetzt erst merke ich, wie stark der Wind wirklich ist: Ich habe das vor dem Wind fahren völlig unterschätzt, nun habe ich Mühe, ins Groß das zweite Reff reinzubekommen. Das Vorsegel berge ich ganz, Groß fahre ich weit offen, an der Grenze zum Flattern. Ich versuche, mich einigermaßen dicht unter dem schützenden Land zu halten, weiß aber noch vom Vorjahr, dass dort ein großes Stehrevier ist, ich die Nähe zum Land also nicht übertreiben darf – denn jetzt darf ich mir kurz vor Ende des Tages und meiner Kräfte auf keinen Fall nochmal einen Badegang einbrocken.

zweites Reff notdürftig eingebunden
Die Einfahrt zum Hafen liegt dann genau gegen den Wind, ich komme trotz Motorunterstützng fast nicht hinein, kreuze mehrfach, der Motor gibt alles und dann bin ich mit dem letzten Tegeslichtrest im Hafen. Ein Motorbootfahrer (und eigentlich auch Segler, wie sich später im Gespräch herausstellt) hat meinen Kampf mit Spannung mitverfolgt und hilft mir beim Anlegen. Nachdem das Boot dann irgendwann schön liegt gehe ich hoch und dusche ausgiebig und heiß und falle dann auch schnell ins Bett und in tiefen Schlaf – was für ein langer, schöner und aufregender erster Segeltag einhand im eigenen Boot hier oben. Puh!
Hier die gesegelte Route: